Rettung von Gröpelinger Grabsteinen

Ein Filmbeitrag von Constance Hossfeld am 22.04.2009 in "buten un binnen" (Radio-Bremen-TV)

Pressemitteilung vom 05.04.2009

Asyl für alte Gröpelinger Grabsteine

(Großformatige Vorberichterstattung im Stadtteilkurier-West des Weser-Kuriers am 05.01.2009, vollveröffentlicht in der Osterausgabe des Weser-Reports am 12.04.09 und teilveröffentlicht im Bremer Anzeiger am 15.04.09, in der TV-Sendung "buten un binnen" am 22.04.09. Erneut veröffentlicht im Weser-Kurier am 27.04.09)


Geschichtswerkstatt für den Erhalt kulturhistorisch bedeutsamer Grabdenkmäler


„Wissen Sie eigentlich, dass der Grabstein der alteingesessenen Bauernfamilie Juchter demnächst zu Straßengranulat zermahlen wird?“ lautete kürzlich eine telefonische Frage an die Geschichtswerkstatt Gröpelingen e. V. Anruferin war Anja Behringer aus Tutzing bei München, Erbin des Hofes Juchter in der Lindenhofstraße, die sich Hilfe bei den Hobbyhistorikern erhoffte. Hintergrund dieses Gespräches ist die Tatsache, dass Gräber von Familien, die keine Nachkommen

Der Juchter-Grabstein

mehr haben, von den zuständigen Ämtern aufgelöst – oder wie es im Amtsdeutsch heißt – aufgelassen werden und die Grabsteine tatsächlich als Straßenbaumaterial weitergegeben werden.

 

Der letzte Spross der schon in der Kirchenchronik von 1648 erwähnten Familie Juchter, der gelernte Tabakküper Johann Albert Juchter, war 1983 kinderlos verstorben und hatte den nicht mehr bewirtschafteten Hof der Tochter eines Freundes vermacht, der mit seiner Familie in der Nachkriegszeit auf dem Juchterhof gelebt hatte. Anja Behringer hatte das Familiengrab auf dem Gröpelinger Friedhof 25 Jahre lang pflegen lassen und wurde nun – wie bei alten Gräbern üblich – von STADTGRÜN gefragt, ob sie das Grab neu kaufen wolle. Die Münchenerin hatte zwar kein Interesse an einer weiteren Grabnutzung im entfernten Bremen, wollte aber das Andenken an die Familie ihres „Onkels“ bewahren.


Bei dem Telefonat wurde deutlich, dass es nicht nur um dieses eine Grab gehe, sondern dass schon eine Reihe anderer Grabsteine von alten Gröpelinger Bauernfamilien „das Zeitliche gesegnet haben“ oder schon bald „segnen“ werden. Die Geschichtswerkstatt schätzt, dass zur Zeit nur noch 10 steinerne Zeugnisse von ca 30 Altgröpelinger Familien auffindbar sein werden. Zu diesen Bauerngeschlechtern gehören neben Juchter Namen wie Gäbel, Bosse, Brüggemann, Mattfeldt, Oltmann, Humann, Behrens, Wischhusen und viele andere. Eine geschichtlich-moralische Brisanz in

Der alte Kirchfriedhof um 1925

dieser Angelegenheit ist die Tatsache, dass Ende des 19. Jahrhunderts der Platz auf dem alten Kirchfriedhof an der Nikolaikirche zu eng wurde und gerade diese Bauern es waren, die der Gemeinde „aus der Patsche“ halfen und das Gelände am heutigen Straßenbahndepot als neuen Friedhof zur Verfügung stellten. Als Gegenleistung wurde ihnen ein angeblich „verbrieftes Recht“ auf Dauerbestattung auf dem Gelände gewährt. Der Gröpelinger Friedhof fristet heute ein eher unbeachtetes Dasein, da ihm der große Waller Friedhof längst den Rang abgelaufen hat.

 

Die Geschichtswerkstatt nahm das Gespräch zum Anlass, um wegen dieses Problems Kontakt mit dem Ortsamt, den Verantwortlichen von Stadtgrün, der Evangelischen Kirchengemeinde Gröpelingen-Oslebshausen und einem Steinmetzbetrieb aufzunehmen. Die Stadtteilhistoriker stießen überall auf offene Ohren. Ortamtsleiter Peter Mester stellte auf dem „kurzen Behördenweg“ die Verbindung zu Stadtgrün her. Der dort für die Friedhofsverwaltung zuständige Bauingenieur Steffen Rathsmann verabredete sich sogleich mit der Geschichtswerkstatt, um auf dem Gröpelinger Friedhof eine Bestandsaufnahme der erhaltenswerten Grabsteine durchzuführen. Der Vorstand der Kirchengemeinde stellte an der Andreaskirche einen Platz für den Juchterstein zur Verfügung und

Der neue Platz an der Andreaskirche

Mitglieder des Arbeitervereins Use Akschen errichteten dort ein Betonfundament, auf das die Friedhofsgärtnerei Winter in den nächsten Tagen den Grabstein der Familie Juchter aufstellen wird. Der Stein steht dann in Reih und Glied mit anderen Gröpelinger Grabdenkmälern, die dort 1959 nach dem Abriss der mittelalterlichen Nikolaikirche ebenfalls Asyl gefunden hatten. Alle Arbeiten werden unentgeltlich und auf Spendenbasis ausgeführt.

 

Auch den Steinen der anderen Altgröpelinger Familien winkt nun eine aussichtsreiche Zukunft. Stadtgrün ließ durchblicken, dass man auf dem Gröpelinger Friedhof einen speziellen Bereich schaffen könne, auf dem alle erhaltenswerten Grabdenkmäler von aufgelassenen Gräbern aufgestellt werden könnten und somit der Nachwelt erhalten blieben. Der Gröpelinger Beirat stellt für diese Aufgabe jährlich 500 Euro zur Verfügung.

 

Günter Reichert

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