Informationstafeln für Sielers Ballhaus

Alte Magnetbandaufzeichnung war Anlass für die Erinnerungsarbeit der Geschichtswerkstatt

 

(veröffentlicht in der TAZ am 30.10.09, im Stadtteilkurier-West des Weser-Kuriers und der Bremer Nachrichten am 05.11.09, im Bremer Anzeiger am 04.11.09, im Weser-Report am 01.11.09 und in der Kreiszeitung am 17.11.09 http://www.kreiszeitung.de/nachrichten/bremen/filmpalast-schlafsaal-kaffeeroesterei-530882.html)

Die Tafeln an Sielers Ballhaus, heute                     Sielers Ballhaus 1910, damals Burg Hohenzollern

Im Oktober letzten Jahres wurde das Lindenhof-Center eröffnet und so manchem Passanten fiel auf, dass im Gesamtkomplex ein altes Gebäude integriert wurde, das bisher kaum ins Auge gefallen war. Gemeint ist die über 100 Jahre alte nun renovierte Fassade von Sielers Ballhaus, die aufgrund der Bestrebungen der Gröpelinger Geschichtswerkstatt und eines Beschlusses des Stadtteilbeirates erhalten blieb und einer der Haupteingänge für das Center wurde. Nun ein Jahr später wurden links und rechts vom Eingang zwei Acryltafeln angebracht, die an die traditionsreiche Geschichte des Hauses erinnern sollen.

Das Gebäude wurde um die Jahrhundertwende 1899/1900 von Ferdinand Sieler gebaut und war zunächst unter dem Namen „Feenpalast“ und später als „Burg Hohenzollern“ schon bald eines der beliebtesten Ausflugslokale im kaiserlichen Gröpelingen. Im Saal fanden Theateraufführungen statt, hielten Vereine ihre Versammlungen ab und feierten ihre Jubiläen. Der Arbeitersportverein (heute TURA) veranstaltete seine Turnübungen im Saal und reisende Lichtspieltheater zeigten hier ihre ersten Stummfilme. Jedes Wochenende aber traf man sich abends im Saal zum Tanzen.
Im ersten Weltkrieg wurden vorübergehend Marinesoldaten in dem Ausflugslokal einquartiert, aber mit dem Beginn der Räterepublik und später der Weimarer Republik wurde der Betrieb unter dem Namen „Sielers Ballhaus“ neu aufgenommen. Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus fanden im Auflugslokal bald auch handfeste Auseinandersetzungen zwischen den Nazis und den Gröpelinger Arbeitern statt, die meist in der SPD oder in der KPD organisiert waren. Mit Beginn der Rüstungsproduktion auf der AG-Weser verkaufte Sophie Sieler 1939 das Lokal an die Kriegsmarine. Erneut benutzten Marinesoldaten den Ballsaal als Schlafsaal. Während der schweren Bombenangriffe der Alliierten auf den Bremer Westen wurde das Gebäude schwer zerstört, nur die Fassade blieb erhalten.
Nach dem Krieg wurde das Gebäude von den Amerikanern beschlagnahmt und einer Gruppe von ehemaligen KZ-Häftlingen als Entschädigung für das ihnen von den Nazis zugefügte Unrecht übereignet, unter ihnen der vor wenigen Jahren verstorbene KPDler Willy Hundertmark. Die neuen Besitzer gründeten eine Genossenschaft, bauten den zerstörten rückwärtigen Teil des Gebäudes mühsam Stein für Stein wieder auf und gaben dem ehemaligen Ballhaus den Namen „Robert-Stamm-Haus“, nach einem in Bremen aktiven kommunistischen Reichstagsabgeordneten, der von den Nazis umgebracht worden war. Im Zuge des Verbots der KPD in der Adenauer-Ära wurde die Genossenschaft widerrechtlich enteignet und das Gebäude ging wieder in Staatsbesitz über.

Anlass für die Aktivitäten der Geschichtswerkstatt Gröpelingen e. V. war eine Magnetbandaufzeichnung einer Tondokumentation von Radio Bremen aus dem Jahr 1987 über das Ballhaus, in der eine Vielzahl von Zeitzeugen zu Wort kamen, die heute nicht mehr leben.
Die Geschichtswerkstatt appellierte mit Hilfe dieser Tonaufzeichnungen und einem eigens erstellten Film an die Ortspolitiker, sich für den Erhalt der Fassade von Sielers Ballhaus einzusetzen und zwei Erinnerungstafeln am Eingangsbereich anbringen zu lassen. Die feierliche Enthüllung der Tafeln fand nun unter Federführung des Ortsamtes am Freitag, dem 30. 10. 2009, um 15 Uhr statt.

Tafeln an Sielers Ballhaus, Foto Schlie Enthüllung der Tafeln (Foto: Schlie, Weser-Report 01.11.2009)