Vom Kolonialwarenladen zur Geschichtswerkstatt

Gröpelinger Hobbyhistoriker beziehen neue Räume

Pressemitteilung vom 20.03.2014
(veröffentlicht im Bremer Westen am 27.03.2014)

Der Kolonialwarenladen heute und gestern Heute Geschichtswerkstatt - früher Kolonialwarenladen

Nach 12 Jahren herzlicher Aufnahme in den Räumen des Arbeitervereins „Use Akschen“ bezog die Geschichtswerkstatt Gröpelingen e. V. nun Anfang des Jahres eigene Vereinsräume im Erdgeschoss des Altbremer Hauses Liegnitzstraße 61. Vor Pressevertretern und geladenen Gästen aus der Verwaltung und aus befreundeten Vereinen wurden am 18.03.2014 die neuen Räume offiziell vorgestellt.

Das Gebäude wurde im Jahr 1905 erbaut, im gleichen Jahr, in dem der Umzug der AG-Weser von der Stephanikirchweide nach Gröpelingen vollendet war. Der Handelsvertreter und Hausierer Friedrich Wilhelm Joachim Reichert aus Bremen-Neustadt erwarb mit seiner Ehefrau Catharina, geb. Böger, im Jahr 1911 das vor den Toren der AG-Weser gelegene, sechs Jahre alte Gebäude vom Vorbesitzer Tischlermeister Möller für eine Summe von 10 Tausend Reichsmark. Es wurde zuvor für die Zwecke des Erwerbers umgebaut, der dort einen sog. Kolonialwarenladen einrichten wollte, also ein Geschäft, das neben Gütern des täglichen Bedarfs auch Waren aus den Deutschen Kolonien anbot. Das waren u. a. Kaffee, Tee und Kakao aus Afrika und Bananen aus Papua-Neuguinea. Das Geschäft lief während des 1. Weltkrieges mehr schlecht als recht.

Papagei Lora Der spätere Familienpapagei Lora als Zahlungsmittel

Erst in der Zeit der Weimarer Republik konnte die Familie mit dem Laden ihren Lebensunterhalt bestreiten. Da es üblich war, „auf Kreide oder Pump“ zu kaufen, wurde in den Zwanzigern auch schon mal ein Papagei von einem zahlungsunfähigen Seemann als Zahlungsmittel akzeptiert.


Das Gebäude erfuhr während seiner 109-jährigen Geschichte eine Reihe von weiteren Umbauten, die allerdings nie den Charakter des „Bremer Haus“ genannten Baustils veränderten. Nachdem Ende 1944 der hintere Teil des Hauses durch einen Bombentreffer zerstört war, baute man die Rückfront behelfsmäßig wieder auf. Nach dem Krieg und dem Tod seiner Eltern übernahm der Sohn Fritz Reichert mit seiner Ehefrau Minna, geb. Lehr, das Geschäft, das bis 1955 Bestand hatte. Von 1949 bis 1953 war im hinteren Teil des Erdgeschosses eine Babbeler-Fabrikation untergebracht.

1955 gab es es einen Totalumbau des Erdgeschosses zu einer Imbiss-Gaststätte mit einem zusätzlichen Anbau auf der Fläche des Hinterhofes. 1983 wurde mit Hilfe von Leichtbauwänden der vordere Teil der Gaststätte in einen Kiosk und der hintere Teil in eine kleine Wohnung verwandelt.

Das Ehepaar Reichert war inzwischen in eine Eigentumswohnung in der Morgenlandstraße umgezogen und hatte auch im oberen Teil des Hauses bis zum Dachboden fünf weitere kleine Wohneinheiten für Sozialhilfeempfänger eingerichtet.

Nach dem Tod seines Vaters und der Erblindung seiner Mutter bezog 1988 der Studienrat Günter Reichert als dritte Generation das Haus und baute es nach und nach für seine Mutter in der 1. Etage und für seine Schwiegermutter im Erdgeschoss altengerecht um. Er selbst bewohnte mit seiner Ehefrau Hedda, geb. Lundt, das Dachgeschoss.


Nachdem 2009 seine Mutter und 2013 seine Ehefrau gestorben waren und seine Schwiegermutter in eine Einrichtung für betreutes Wohnen kam, ließ Günter Reichert als Vorsitzender der Geschichtswerkstatt Gröpelingen e.V. das gesamte Erdgeschoss entkernen, um dort Vereinsräume für die Gröpelinger Hobbyhistoriker einzurichten. Dort ist nun neben anderen Räumen und Sanitäreinrichtungen ein 45 Quadratmeter großer Tagungsraum für 24 bis 50 Teilnehmer entstanden.

Tagungsraum der Geschichtswerkstatt Der Tagungsraum